Ich bin fehl am Platz in dieser Welt der feinen Leute.
Nach jedem Diplomatenempfang oder einer Feier wird mir übel. Ich kann nicht mehr schlafen, denn die Gesichter der vielen neuen Menschen, die ich nun kennenlernen muss, geistern in meinem Kopf herum und umtanzen mich wie ein böser Wiener...
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Ich bin fehl am Platz in dieser Welt der feinen Leute.
Nach jedem Diplomatenempfang oder einer Feier wird mir übel. Ich kann nicht mehr schlafen, denn die Gesichter der vielen neuen Menschen, die ich nun kennenlernen muss, geistern in meinem Kopf herum und umtanzen mich wie ein böser Wiener Walzer. Ich werde selbst zum Geist und wandere nachts in der nun stilgerecht dekorierten Villa herum.
Joshi versteht mich nicht. Mir geht es doch so gut wie nie. Akikosan putzt, kocht und kümmert sich um Toru. Ich erlebe Kultur in höchster Form, Oper, Theater und speise im Sacher.
Was will ich denn noch? Im Sommer fahren wir in die Dolomiten. Glücklich besteigt Joshi jeden Tag einen anderen Gipfel und ich sitze mit Toru auf einer Blumenwiese, schaue den ganzen Tag auf die drohenden Felsen und sorge mich, ob Joshi wieder heil herunterkommt. Mein Diplomatendurchfall hört auch nach diesen erholsamen Ferientagen nicht auf und dazu kommen Schmerzen im Unterleib. Ich gehe zum Frauenarzt. Einen Wiener Frauenarzt muss man beschreiben.Elegant in einem Biedermeiersalon sitzend, schaut er mich genüsslich von unten bis oben an. Sein Blick verharrt einige Minuten auf meinem Busen, er zieht die Luft durch die Nase wie ein brünstiger Bulle, dann einSeufzer: Wissen s, meine Gnädigste, Sie sind frustriert.
Was bedeutet frustriert, Herr Doktor? Wahrhaftig, ich kenne das Wort nicht. Wie alt sind Sie? Ich glaube, so um die 27 Jahre. Haben Sie normalen oder abnormen Sex mit Ihrem Gatten? Normalen, glaube ich.
Träumen Sie von Orgien oder streicheln Sie sich im Bett? Wenn ich nicht schlafen kann, dann reise ich in unbekannte weite Welten, in denen ich herumfliege.
Kaufen Sie sich ein Auto oder ein Flugzeug.
Sein Interesse an mir ist verflogen und er verschreibt mir Valium. Ich brauche es nicht, denn ich mache den Führerschein und kaufe mir einen alten Morris Cooper. Jeden Tag bin ich unterwegs. Zuerst durch den Wienerwald, dann durchs Burgenland, immer weitere Kreise ziehe ich durch das schöne Österreich mit meinem kleinen roten Auto. Kummer heißt
das Geschäft für Künstlerbedarf und dort kaufe ich mir einen Aquarellkasten, Pinsel und einen Malblock.
Ich schäme mich, verbeuge mich öfters, denn alle Kunden sehen wirklich wie echte Wiener Künstler aus.
Ich male Landschaften oder altes Gemäuer. Was ich da hinpinsele, ist so scheußlich, dass die meisten Aquarelle sogleich zerrissen werden und als kleine bunte Schnipsel von Bergkuppen flattern wie Blütenblätter. Wenn ich nicht in der Gegend herumfahre, übe ich beim Hetzendorfer Friedhof mit meinem Cooper. In dieser Einöde von Gärtnereien und Grabsteinen steht eine Kirche. Das Altarbild zeigt eine Kreuzigung auf Ziegenleder, so ausdrucksstark und farbenvoll, wie ich es noch nie gesehen habe. Die Maltechnik ist mittelalterlich, aber das Bild neu. Wer ist der Künstler? Das Bild gibt mir Mut. Ich gehe in die Akademie für Bildende Künste. Kann ich hier Malerei studieren?
Was haben Sie denn vorher gemacht? Dem Professor ist die Sache sichtlich peinlich, vermutlich kommen jeden Tag frustrierte Diplomatenfrauen zu ihm. Nachdem er sich mit Grausen die detaillierte Beschreibung meiner künstlerischen Tätigkeit bei Triumph krönt die Figur anhören musste, hat er eine rettende Idee. Für Sie, gnädige Frau, habe ich den Richtigen. Professor Willi Bahner von der Hochschule für Angewandte Kunst, Fakultät Schriftgraphik.
Der gute alte Professor Bahner! Er ahnt nicht, was auf ihn zukommen sollte. Im Heiligenkreuzerhof in der ehemaligen Wohnung von Heinrich Johann Maria von Coudenhove-Kalergi sitzen einige wenige Studenten, die unter den süßen Blicken der Putten und Engel der Deckenmalerei feinste Buchstaben malen und Schriften gestalten. Manchmal fällt ein Stückchen Stuck aufs Zeichenblatt, es stört niemanden. Meine Ankunft muss ein Schock für alle Beteiligten gewesen sein.
Dem Professor verschlägt es die Sprache, als ich ihm meine letzten Burgenlän
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