Textprobe:
Einführung in die Problematik:
a. Der Mensch und seine Selbsterfahrung:
Wir Menschen sind biologische, soziale und kulturelle Wesen und stehen immer in Bezügen zu uns selbst wie zu einer Welt. Wir nehmen wahr, fühlen, denken, wollen und handeln und verfügen über ein Bewusstsein und...
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Textprobe:
Einführung in die Problematik:
a. Der Mensch und seine Selbsterfahrung:
Wir Menschen sind biologische, soziale und kulturelle Wesen und stehen immer in Bezügen zu uns selbst wie zu einer Welt. Wir nehmen wahr, fühlen, denken, wollen und handeln und verfügen über ein Bewusstsein und Sprache. So können wir uns auf die Welt und uns selbst beziehen, diese erleben, beschreiben und deuten. Wir haben verschiedene Vorstellungen von uns selbst, ein Gefühl uns selbst gegenüber, ein Wissen von uns und verschiedene Wünsche, Gedanken und Begehren, die uns antreiben und zu denen wir uns verhalten können.
Und wir sind mit uns vertraut, d.h. wir hegen normalerweise keinerlei Zweifel daran, dass wir selbst es sind, die etwas wahrnehmen, fühlen, denken, wollen und tun, und die ihren Körper und ihren Geist ganz selbstverständlich bewegen und benutzen und zwar in unserem Sinne und Interesse. So verstanden besitzen wir uns und sind wir wir selbst. Wir empfinden uns, zumindest zumeist, als Urheber/-innen unserer Gedanken und Taten, als handelnde Wesen. Wir tun, so unser Eindruck, was wir wollen und für richtig erachten, wir agieren frei und eigenständig und sind dabei urteilende und wertende Instanzen. Daran hängen unsere Vorstellungen von Selbstbestimmung und Verantwortung. Dabei verstehen wir uns als zeitliche Wesen mit einer Lebensgeschichte, die erzählt, wie wir zu dem Menschen wurden, der wir sind. Wir haben eine Vorstellung davon, wie wir (gegenwärtig) sind und zumeist auch eine Vorstellung davon, wie wir (zukünftig) gern wären. Unser Sein umfasst unsere gegenwärtigen, erinnerten wie projizierten Aspekte, d.h. unsere Möglichkeiten wie unsere Realität.
Diese verschiedenen Merkmale menschlichen Seins, und man könnte noch mehr nennen, charakterisieren das, was wir im allgemeinen als unser Selbst bezeichnen. Ein solches Selbst schreiben wir jedem Menschen zu, auch wenn es mitunter an eine bestimmte Entwicklungsstufe und einen gewissen Gesundheitszustand gebunden wird. Dieses Selbst ist für uns selbst unbestritten existent. Es benennt den Bezugspunkt unseres Fühlens, Denkens, Wollens und Handelns und beschert uns ein Zentrum und eine Innerlichkeit. Es bezeichnet unseren Standpunkt, von dem aus wir die Welt und uns selbst erfahren und mit der Welt interagieren, und unsere individuelle Perspektive. Und es umfasst unseren Charakter, unsere Biographie wie auch unseren Antrieb und unsere Leidensfähigkeit.
Es macht uns zu Handlungssubjekten, zu Träger/-innen von Verantwortung, zum Subjekt der Politik und des Rechts und im besten Fall zu mündigen Bürger/-innen. Denn es scheint zweierlei zu verbürgen. Zum einen impliziert es, dass wir jemande sind, d.h. Menschen mit einer bestimmten Biographie und einem Charakter. Zum anderen impliziert es, dass wir selbst es sind, die etwas tun und zwar im besten Fall nach den eigenen Wünschen und Einsichten. Wir sind nicht nur Getriebene der Umstände oder auch fremder Willen, sondern eben Handelnde mit eigenen Motiven und Bedürfnissen, die sich im Zuge einer Lebensgeschichte verwirklichen. In diesem Sinne scheint das Selbst als Annahme unverzichtbar zu sein, wenn wir Menschen eine gewisse Autonomie, Vernünftigkeit und Verantwortung, aber auch eine gewisse Einzigartigkeit oder Individualität zuschreiben wollen, die wiederum eine Grundlage von Würde und Anerkennung benennt.
Nun sind uns jedoch gewisse Aussetzer in unserem Selbstverständnis und unserem Selbstsein nicht unbekannt. Wir haben nicht immer den Eindruck zu tun, was wir wollen oder für richtig erachten. Wir kennen das Gefühl, nicht über unseren Schatten springen zu können, uns nicht wirklich zu kennen, uns in uns selbst zu täuschen oder uns anderen Erwartungen anzupassen, sei es im Sinne einer Fremdbestimmung, eines inneren Zwangs oder auch einer Unentschlossenheit oder Passivität. Wir sind nicht immer ganz wir selbst. Trotz dieser
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